Seite 2 von 2

Re: …sonst kommst du nach SCHWEDT! – ein neues Buch in Sicht

Verfasst: 29 Apr 2010, 19:15
von Steffen
Ich bin davon ausgegangen, dass , wie der Schreiber des Artikels formuliert hat, es keine Militärjustiz in der Bundeswehr gibt.
Aber warum denkt man über einen Militärjustizhof nach ?
Gut, bis 2009 gab es eine solche Überlegung nicht , aber der Zeitungsartikel ist ja nicht von 2009 sondern aus dem Jahr 2010. Das müsste der Schreiber des Artikels recherschiert haben.

Dieser Militärjustizhof wird doch nicht nur über den Einsatz in Afganistan verhandeln. Sondern auch über die dort begangenen Straftaten von Bundeswehrangehörigen und demzufolge auch über die in Deutschland oder in anderen Staaten, wo die Buwe im Einsatz ist, zu richten haben.
Ansonsten würde er ja " Militärjustizhof der Bundeswehr für Auslandseinsätze" heissen.
Oder liege ich hier falsch ?

Re: …sonst kommst du nach SCHWEDT! – ein neues Buch in Sicht

Verfasst: 18 Mai 2010, 12:44
von Stasi-Forscher
Liebe Freunde der Aufarbeitung,

das Buch ist inzwischen erhältlich und ich kann es nur empfehlen: Endlich mal was ausführlicheres und ansprechend geschriebenes! Dazu aus einer Frühzeit des MStV, wo z. B. zivile SG ebenfalls noch auf dem Gelände mit untergebracht waren. Natürlich aus der subjektiven Sicht eines einzelnen Betroffenen; aber nie so formuliert, das man die Lust am Lesen verlieren würde. Und auch die hier schon etwas argwöhnisch diskutierten Passagen über den Schlagstockeinsatz kommen zumindest stimmig rüber - nicht etwa reisserisch im Stil der Zeitung mit den VIER grossen Buchstaben. Das Ganze garniert mit Ausführungen über das Unwesen der politischen DDR-Justiz - durchaus lesenswert.

Vielleicht stelle ich hier später mal ausführlicheres ein.

Weitere Infos ginbts auch hier:
http://www.lob.de/cgi-bin/work/suche?fl ... &frame=yes

Beste Grüße

Stasi-Forscher

Re: …sonst kommst du nach SCHWEDT! – ein neues Buch in Sicht

Verfasst: 18 Mai 2010, 22:57
von Steffen
Ich hab das Buch gelesen.
Schön aus Zeiten des MdI etwas zu hören. Ich bin aber immer noch skeptisch. Beim 1. Treffen im Juni 2009, waren auch einige ehemalige Gefangene, die zwar nicht zur Zeit des MdI im Strafvollzug waren, aber keine vergleichbaren Beispiele zu Zeiten der NVA - Unterstellung gebracht haben.
Beim Verfasser des Buches geht der Knüppel von Anfang bis Ende durch. Für mich nicht vorstellbar.

Re: …sonst kommst du nach SCHWEDT! – ein neues Buch in Sicht

Verfasst: 19 Mai 2010, 15:18
von harald
Natürlich eine sehr interessante Sache auch mehr aus Schwedt´s zu MdI - Zeiten zu erfahren.
Aber auch ich kann mir nicht vorstellen,dass der Knüppel so "locker" saß. Ich konnte in Schwedt auch noch
Leute treffen, die zu MdI - Zeiten dort "gedient" hatten und von der NVA übernommen wurden, selbstverständlich wurde da auch über alte Zeiten erzählt. Aber soweit ich mich erinnern kann wurden auch da keine Geschichten über "Prügelorgien" oder etwa dergleichen erzählt. Aber scheinbar brauch ja alles einen "Aufreiser" damit solche Sachen überhaupt gelesen werden und wie schlimm doch die Zeiten waren. Sorry, ich möchte damit nichts beschönigen oder jemanden angreifen. Die Zeit in Schwedt war für keinen MSG oder DB ein Vergnügen. Aber solche Übertreibungen gehören einfach nicht in eine sachliche und objektive Aufarbeitung.

Harald

Re: …sonst kommst du nach SCHWEDT! – ein neues Buch in Sicht

Verfasst: 18 Jun 2010, 22:38
von ollepolle
Hallo allerseits,

eine kurze Rückschau auf Auerswald Lesung in Schwedt habe ich unter "Politik beginnt sich für Schwedt zu interessieren" (http://www.militärgefängnis-schwedt.de/ ... 3678#p3678) eingestellt -

Gruß ollepolle

Re: …sonst kommst du nach SCHWEDT! – ein neues Buch in Sicht

Verfasst: 26 Jun 2010, 20:34
von Steffen
Es gibt da etwas, was mich nicht loslässt.
Bei der Lesung von Klaus Auerswald waren ca. 60 Personen aus Schwedt anwesend.
Zu unserem 1. Treffen erschienen nur ehem. Militärstrafgefangene und Disziplinarbestrafte, sowie der ehemalige Kommandeur und Harald, als Personen, die für den Vollzug verantwortlich waren. Im Forum hatte sich noch jemand gemeldet, der für die Bewachung des Aussenringes eingesetzt war.
Besucher, ausser von offizieller Seite, gab es nicht.
Bei der 1. Lesung eines Themas in der ehem. Disziplinareinheit und bei dieser Lesung aus dem Buch von Klaus Auerswald waren gleichviel Interessierte vor Ort. Leider war es mir nicht möglich daran teilzu nehmen. Ich glaube auch kaum, dass ehemalige Gefangene daran teilgenommen haben ( ausser K.A. )
Niemand von den vor Ort befindlichen Personen hat zu erkennengegeben, in welchem Verhältnis er zum Militärstrafvollzug in Schwedt gestanden hat.
Ich bin der festen Auffassung, dass mehrere der Besucher ein sehr enges Verhältnis zum Strafvollzug hatten. Sie waren gespannt, wie weit der ehemalige Strafgefangene K.A. recherchiert hat und Gesichter kenntlich machen kann. Diese Personen, die sich nie zu erkennen geben bzw. nicht erkannt werden wollen, werden wieder mit einem Aufatmen die Veranstaltung verlassen haben. " Der kannte ja niemanden mehr ".
Deshalb bin ich im Nachhinein auch der Meinung, das Klaus Auerswald wahrheitsgetreu geschrieben hat. Denn es ist bestimmt durch Einzelne zu Uberschreitungen der Machtbefugnisse gekommen und es ist geknüppelt worden. Ich beziehe mich hier auf MdI Zeiten, denn aus den Zeiten der NVA - Bewachung hat keiner unserer Mitglieder derartiges bestätigt.
Dieses Problem hat mir unter den Nägeln gebrannt. Ich weis nicht wie es anderen gegangen ist.
Dies sollte ein Denkanstoß sein.
Wie denkt ihr darüber.
Gruß
Steffen

Re: …sonst kommst du nach SCHWEDT! – ein neues Buch in Sicht

Verfasst: 26 Jun 2010, 21:37
von ollepolle
Hallo Steffen & ihr anderen,

interessante Frage! Und interessante Schlussfolgerung!

Da ich bei der Lesung vor Ort war, kann ich ja noch mal versuchen, atmosphärisches zu schildern:Der Verlagsleiter erwähnte in der Diskussion, dass sehr wohl abgewogen wurde, ob oder welche Namen genannt werden. Im Buch sind ja einige geschwärzt (was aber auch an den von der Stasiaktenbehörde überlassenen Kopien liegen kann), etliche Namen aber enthalten: angefangen von dem des Stasi-Spitzels aus der NVA-Einheit, der wohl mit seinen Infos Ausgangspunkt der Verfolgung Auerswalds war, über einzelne (Vor-) Namen von Mitgefangenen über Zeugen im Prozess bis hin zu Namen vom Personal, wobei Auerswald gerade bei letzteren meist nur noch Spitznamen aus der Sicht der MSG nannte. Vermutlich kannte er die echten Namen auch nicht. In der Diskussion letzte Woche wurden meiner Erinnerung nach auch keine Namen genannt, aber auch nicht nachgefragt.

Ob - wie Steffen vermutet - vielleicht doch "Beobachter" vor Ort waren, war für mich nicht zu erkennen. Als zusammen auftretende Gruppe jedenfalls nicht. Vom optischen Eindruck her würde ich überwiegend interessiertes "Bildungsbürgertum" vermuten, was sich durch die Einladung übers Museum vielleicht auch erklären liesse - ist aber jetzt reine Spekulation von mir. Bedauerlicherweise scheint ja auch journalistisch kaum jermand da gewesen zu sein.

Hat schon mal jemand auf der Website des Museums nachgeschaut?

Beste Grüße

ollepolle

Re: …sonst kommst du nach SCHWEDT! – ein neues Buch in Sicht

Verfasst: 28 Jun 2010, 08:10
von ollepolle
Aus der Website vom Museum unter

http://www.schwedt.eu/sixcms/detail.php ... nid=138384:

Bewegende Buchlesung

Etwa 60 Besucher, nicht nur ältere und auch sehr viele Frauen, hatten sich am 15. Juni 2010 im Berlischky-Pavillon eingefunden, um den Mann und sein Schicksal kennen zu lernen. Dem Autor war es nicht leicht gefallen, die Einladung des Stadtmuseums zu dieser Lesung anzunehmen. Auf der langen Autofahrt von Dresden nach Schwedt gingen ihm viele Fragen durch den Kopf, auch solche, ob wohl ehemalige Wärter anwesend sein, ob sie sich zu Wort melden würden.

Doch diese Befürchtungen waren überflüssig. In die Stille des Raumes hinein las Klaus Auerswald Passagen aus seinem Buch, die deutlich machten, aus welch nichtigen, heute auch nicht mehr nachvollziehbaren Gründen man in das Visier der Staatssicherheit kommen konnte. Und wie man, ohne es zu ahnen, plötzlich ein „Rädelsführer“ wurde. Ihm war damals nicht bewusst, wie schmal der Grat war zwischen jugendlichem Übermut und plötzlichem Verhaftet-Werden. Der ehemalige Soldat wurde 1968 wegen angeblich „mehrfach begangener staatsfeindlicher Hetze“ zu einem Jahr und acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Seine staatsfeindliche Hetze hatte darin bestanden, dass er sich kritisch mit dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in der damaligen ČSSR auseinandersetzte.

Mit ruhiger, manchmal auch etwas bewegter Stimme, schilderte er seine Erlebnisse als inhaftierter Militärangehöriger. Sein Trupp musste sechs Tage in der Woche je 12 Stunden Schwerstarbeit im Betonwerk auf dem Gelände des PCK leisten. Die Verpflegung war für diese Arbeit nicht ausreichend, sodass nach längerer Zeit fast alle an Unterernährung litten. Die unterschiedlichen Strafen – von Schlägen mit dem Knüppel bis hin zur Arrestzelle, in der er den ganzen Tag nur stehen verbringen durfte, – begleiteten den Tagesablauf. Am Ende dieser Haftzeit hatte er nur den einen Wunsch: so etwas nie wieder erleben zu müssen.

Nach der Wende hatte Klaus Auerswald die Möglichkeit, seine 500 Seiten dicke Stasi-Akte einzusehen. Was er dort lesen musste, hat ihn zutiefst erschüttert. Bereits im Gefängnis in Schwedt begann seine Überwachung, nach seiner Entlassung wurde er noch wochenlang rund um die Uhr beschattet, Berichte über ihn wurden bis 1989 angefertigt, ein guter Freund erwies sich auf einmal als Spitzel.

Durch bundesdeutsche Gerichte wurde Auerswald inzwischen rehabilitiert. Das bereitet ihm große Genugtuung. Mit seinem Buch hat er sich vieles von der Seele geschrieben. Er hat keinen Groll und keinen Hass mehr. Auf die Frage eines Anwesenden, wie er reagieren würde, wenn ihm jemand von damals über den Weg liefe, meinte er: „Ich würde es gut finden, wenn derjenige inzwischen zu der Einsicht gekommen wäre, dass er Unrecht begangen hat.“