" sag dein letztes Gebet - es geht nach Schwedt "

baustus
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Re: " sag dein letztes Gebet - es geht nach Schwedt "

Beitrag von baustus »

danke steffen, für das hineinstellen des artikels. und ja, es war eine rundum, gelungene lesung in eberswalde. wieder einmal war von allem etwas dabei. es gab noch viele interessante gespräche nach der lesung und detlef erhielt ja auch das wort. also da hat eigentlich alles gepasst. es soll nächste woche noch eine reflektion von der stiftung, die ja mitbeteiligt war, geben, die dann im internet veröffentlicht wird. das 2. zeitzeugenbuch soll ende nov., anfang dez. 2013 kommen. desweiteren ist eine "art" lesereise durch alle bundesländer, inkl. der "alten", ab 2014 geplant. also, da ist auf weite sicht noch eine menge geplant, unter der regie der lakd, mit der wir ja auch als verein zusammenarbeiten und sowohl dem schwedter stadtmuseum und der projektgruppe schwedt.

baustus
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Re: " sag dein letztes Gebet - es geht nach Schwedt "

Beitrag von baustus »

hier noch ein kleiner nachtrag zu lübbenau aus der lausitzer rundschau

"Wir wurden normiert"
Zwei ehemaligen Insassen lesen aus Erinnerungen an den Militär-Knast Schwedt

Lübbenau Paul Brauhnert wird noch bleiben über Nacht in Lübbenau. Er wird durch den Tunnel gehen zur Spreewelten-Pension.

"Ich lass mich einschließen", sagt Brauhnert und lacht. Mehr als 20 Jahre ist es her, dass Brauhnert sich einschließen lassen musste – im berüchtigten Militärgefängnis der DDR in Schwedt an der Oder. Neben dem Knast, das erzählen Brauhnert und Ilja Hübner am Montagabend in der Bunten Bühne in Lübbenau, gab es noch die so genannte DE 2. Die "Disziplinareinheit", untergebracht in einem eigens dafür errichteten Plattenbau. Brauhnert und Hübner haben die Erinnerungen von Betroffenen aufgespürt, gesammelt, aufgeschrieben, dokumentiert – entstanden ist ein Buch unter dem Titel "Spür die Angst" (derzeit zwar vergriffen, es soll aber im Herbst in deutlich erweiterter Neuauflage erscheinen).

Die Disziplinareinheit war "hermetisch abgeriegelt", die Strafzeit lag zwischen vier und zwölf Wochen, die in der NVA "nachgedient" werden mussten. Hübner hatte als 19-Jähriger Soldat bei einem Ausgang "ein Bier zu viel" getrunken; statt zurück zu seiner Einheit setzte er sich in einen Zug und fuhr nach Hause. Dort griff man ihn wenig später auf. Festnahme, Schwedt. Er sagt heute: "Nicht der Aufenthalt oder die Arbeit waren die Probleme, sondern die Erfahrung, einfach weg zu sein. Und wir wurden normiert." Brauhnert erzählt: "Du warst als 18-/19-Jähriger auf einen Fingerschnips der Macht ausgeliefert." Darüber zu reden, war den Insassen auch nach ihrer Entlassung und Rückkehr strikt verboten. "Das Schweigen hat noch viel mehr angerichtet, es bleibt in den Köpfen", sagt Brauhnert. "Schwedt war die reine Willkür."

Heute gebe es die Gelegenheit, darüber zu reden und damit "solche Strukturen aufzubrechen. Das ist Diktatur, das ist wichtig, dass sich das nicht wiederholt", mahnt Hübner, dessen Erinnerungen phasenweise launig-sarkastisch klingen. Er erklärt das: "Wir haben dort gesagt, bevor wir uns aufhängen, lachen wir lieber." Schwedt habe ihm aber auch gezeigt, dass hinter der Worthülse und der Propaganda von der Solidarität ein tatsächlicher Inhalt steckt.

Ein Verein will in Schwedt die Erinnerungen wach halten, was um so schwieriger ist, da es keine Gefangenen-Akten mehr gibt. Diese sind offenbar auf dem Transport ins Militärarchiv verschwunden.

Lübbenaus Bürgermeister Helmut Wenzel (parteilos) begrüßte die Lesung als teil einer "offenen Information", die dazu diene, das Bild der DDR nicht zu verklären.
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Artikel-Aktualisierungen:

Erstellt am: 11. September 2013, 03:06 Uhr
Geändert am: 14. September 2013, 03:11 Uhr
Autor: Jan Gloßmann
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baustus
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Re: " sag dein letztes Gebet - es geht nach Schwedt "

Beitrag von baustus »

...zum abschluss der diesjährigen lesereise zu -spür die angst- , hier noch der bericht der karl hamann stiftung, der die ganze sache "abrundet", wiederspiegelt. vielleicht könnte man diesen auf unsere webseite stellen, da auch verschiedene institutionen zur sprache kommen, mit denen wir zusammenarbeiten. hier also der artikel zur letzten lesung in eberswalde. falls zu groß würde ich die administratoren bitten den artikel anzupassen.

baustus


“Spür die Angst” – Lesung zur Disziplinareinheit des Militärgefängnisses Schwedt/Oder
01

Begrüßung durch Anne Wellingerhof, Geschäftsführerin der Karl-Hamann-Stiftung

Rund 40 Gäste waren anlässlich des Tages der Offenen Tür der BSTU-Außenstelle Frankfurt/Oder ins Paul-Wunderlich-Haus in Eberswalde gekommen, um den Ausführungen von Zeitzeugen über ein dunkles Kapitel der DDR-Geschichte zu folgen: Die Disziplinareinheit des Militärgefängnisses Schwedt/Oder.

Schwedt – die Erwähnung dieses Namens wurde ab 1968 zum Synonym für das einzige Militärgefängnis der DDR. 1982 entstand daraus die berüchtigte Disziplinareinheit der NVA. Für alle Angehörige der NVA war Schwedt ein Begriff, der für Furcht, Angst und Schrecken stand.

Die Vergehen der NVA-Angehörigen, die nach Schwedt führten, waren Delikte wie Befehlsverweigerung oder Veruntreuung von NVA-Eigentum, aber auch unerlaubtes Fernbleiben der Kaserne, Alkoholschmuggel oder Urlaubsscheinfälschung. Die Schwere und Dauer des Strafmaßes wurden willkürlich festgesetzt, es gab weder einen Strafprozess noch schriftliche Aufzeichnungen über die einzelnen Gefangenen.

„Nach mehr als 20 Jahren erstmals das Schweigen gebrochen“

Am 31. Mai 1990 wurde das Militärgefängnis geschlossen. Für diejenigen, die im Militärgefängnis inhaftiert waren, endet die Geschichte allerdings nicht mit der Entlassung oder der Schließung des Gefängnisses. Acht ehemalige Inhaftierte des gefürchteten NVA-Militärgefängnisses in Schwedt haben den Mut aufgebracht und ihre schmerzhaften Erinnerungen erstmals nach mehr als 20 Jahren des Schweigens öffentlich gemacht.


02

Dr. Marianne Subklew-Jeutner mit der Publikation “Spür die Angst”

Entstanden ist daraus eine Publikation, die über den Militärstrafvollzug in der DDR bislang ungeklärte und teilweise unbekannte Ereignisse ans Licht und damit ins öffentliche Gedächtnis gebracht hat. Die Publikation wird durch die Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur gefördert.

Die Buchautoren und Herausgeber des Buches Ilja Hübner und Paul Brauhnert berichteten in der Veranstaltung unter der Moderation von Dr. Marianne Subklew-Jeutner, Stellvertreterin der Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, von ihrem erlebten Alltag in der Disziplinareinheit, der von Drill, Einschüchterung, Willkür und Angst geprägt war – eine Angst, die bis heute spürbar sei.

„Angst als Mittel der Diktatur“

04

Die Buchautoren Paul Brauhnert (l.) und Ilja Hübner (r.)

„Angst war unser ständiger Begleiter“, so die Autoren. Die Verbreitung von Angst sei ein wirksames Mittel der Diktatur gewesen, den Willen der Menschen zu beugen, um sie zu angepassten Staatsbürgern zu machen.

Diese Angst hörte nach dem Austritt aus Schwedt nicht auf. Bei Verlassen der Kaserne mussten die Ex-Häftlinge schriftlich fixieren, ein Leben lang nicht über das Geschehene zu berichten. Diese Klausel und die Angst, sich selber und andere durch das Brechen des Schweigens in Gefahr zu bringen, hätte sie zu DDR-Zeiten, aber auch darüber hinaus begleitet. So sei es auch heute noch schwierig über das Erlebte zu sprechen.

„Gesetzlose Räume nicht zulassen“

Auf die Frage eines Teilnehmers, welche Erfahrungen und Botschaften die Autoren jungen Leuten mitgeben wollen, sagte Hübner, er wolle jungen Menschen klarmachen, was es bedeutet, in einer unfreien Gesellschaft zu leben und was es heißt, den „aufrechten Gang“ und eine eigene Haltung zu bewahren, auch wenn man in der Minderheit mit seiner Haltung ist. Auch für die heutige Zeit sei es wichtig, zu zeigen, was es heißt, Zivilcourage zu zeigen. Es sei eine Errungenschaft, so die Autoren, in heutiger Zeit angstfrei in Veranstaltungen über das Erlebte sprechen zu können.

Paul Brauhnert, der nach der Lesung an seinem eigens für die Veranstaltung eingerichteten “Kleinen Buchbasar” weiter mit den interessierten Zuhörern und einem ehemaligen Bausoldaten aus Chorin ins Gespräch kam, betonte: “Natürlich kann man nicht alle Insassen des Militärgefängnisses “heilig sprechen”. Erst, wenn jeder ehemals Inhaftierte des Militärstrafvollzuges – und mehr noch: des gesamten Militärgefängnisses – das persönliche, unmittelbar widerfahrene niederschreiben und betrachten würde, dann wäre die gemeinsame Erkenntnis, ungeachtet der einerseits vorhandenen Vielfalt und des anderseits zu Unrecht Erlebten, dieselbe:

“Das ganze Schweigen hat die schlimmsten Gerüchte zur Folge gehabt und ist dafür verantwortlich, dass viele der inhaftierten von dem damals durchlebten bis heute traumatisiert und gesundheitlich geschädigt sind.”

Nachzulesen sind die Berichte der Zeitzeugen, die sich bislang geäußert haben, in der Publikation „Spür die Angst“, dessen Neuauflage im Dezember 2013 erscheint.

Die Veranstaltung war eine Kooperation zwischen der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, der Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur sowie der Karl-Hamann-Stiftung für liberale Politik im Land Brandenburg. Musikalisch begleitet wurde die Lesung durch die Musikerin Susanne Stock, die ausdrucksstarke Werke von Johann Sebastian Bach sowie zeitgenössischer Berliner Musiker darbot.

Weiterführende Links:

LAkD – Die Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur
www.aufarbeitung.brandenburg.de

Verein “Militärgefängnis Schwedt” e.V.
www.militärgefängnis-schwedt.de

Hinweis zur Publikation “Spür die Angst” auf den Internetseiten der Stadt Schwedt/Oder
www.schwedt.eu

Fotos der Veranstaltung:
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Steffen
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Re: " sag dein letztes Gebet - es geht nach Schwedt "

Beitrag von Steffen »

Ein Beitrag aus der MOZ von heute zum Thema
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Steffen
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Re: " sag dein letztes Gebet - es geht nach Schwedt "

Beitrag von Steffen »

Heute die Info aus der MOZ ( 29.10.2013 )zum Treffen am Wochende
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Detlef
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Re: " sag dein letztes Gebet - es geht nach Schwedt "

Beitrag von Detlef »

danke Steffen,

langsam muss mich ja die Uckermark kennen, d.h. andere Zeitzeugen müssen mehr und offener
hervortreten, aber das wird schon noch...
detlef
[color=#400040]3 Monate Strafdienst in der Disziplinareinheit vom 20.09.1983 bis 15.12.1983[/color]
[color=#0000BF][i]Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen. Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.[/i][/color]
baustus
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Re: " sag dein letztes Gebet - es geht nach Schwedt "

Beitrag von baustus »

wer sich für das 2. zeitzeugenbuch von 1968 - 1990(in dem das 1. -spür die angst- mitenthalten ist)interessiert, der sollte sich den 9.12.2013 vormerken... also wer an einem montag kann. das buch soll dann in potsdam präsentiert werden. vielleicht macht arno noch eine bekanntmachung, dann mit allen genauen daten usw.. im internet wird es ja bereits beworben, jedoch noch nicht lieferbar.(vorraussichtlich ab "mitte" november) es soll dann später auch noch eine veranstaltung in schwedt geben.

baustus
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stecs
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Re: " sag dein letztes Gebet - es geht nach Schwedt "

Beitrag von stecs »

Detlef ist bekannt wie ein bunter Hund...
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