Buch " Der Turm "

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Dresdner
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Buch " Der Turm "

Beitrag von Dresdner »

Uwe Tellkamp: Der Turm. Geschichte aus einem versunkenen Land. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2008. 976 S., 24,80 Euro

Das nachfolgende Zitat stammt aus dem o.g. Buch .

Im Namen des Volkes
In der Strafsache gegen
Unteroffizier Christian Hoffmann,
geb. am 28. 10. 1965 zu Dresden,
ledig, nicht vorbestraft,
zur Zeit in Untersuchungshaft wegen Straftaten nach
§ 220, Abs. i, Öffentliche Herabwürdigung,
wurde durch die 1. Strafkammer des Militärgerichts Dresden,
vertreten durch ... aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 6. 6.1986
für Recht erkannt:
Der Angeklagte wird wegen Öffentlicher Herabwürdigung der Öffentlichen Ordnung nach § 220, Abs. i für schuldig erkannt und verurteilt zu einer Strafe von
zwölf Monaten Strafarrest.
Die Zeitspanne der Untersuchungshaft wird angerechnet. Die Zeitspanne des Strafarrests ist nachzudienen. Der Studienplatz Medizin an der Karl-Marx-Universität Leipzig, geplante Aufnahme ab 05. 10. 1987, wird aberkannt. Der Verurteilte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Dann Pfannkuchen: ebenfalls zwölf Monate Strafarrest. Der Beisitzer verlas die Urteilsbegründung. Das Gericht verließ den Saal. Christian und Pfannkuchen hatten die Urteile und die Urteilsbegründungen zu unterschreiben. Die Protokollantin hielt die Papiere fest, während die Verurteilten unterschrieben.

Verlegung.
Wieder kam ein LKW mit der Aufschrift »VEB Dienstleistungskombinat«. Von Dresden ging es nach Frankfurt/Oder. »Immer an der Wand lang«, scherzte Pfannkuchen, als er mit Christian von Effekten kam; beide hatten ihre Seesäcke geschultert, ihre Habseligkeiten darin. Pfannkuchen ärgerte sich, daß er sein Akkordeon nicht mitnehmen durfte. »Keine Unterhaltung!« schnauzte der Posten, stieß sie in den Wagen. Sie fuhren in Handschellen. Irgendwann während der stundenlangen Fahrt wummerte es gegen eine Zellentür. »Ich muß mal austreten!« »Zieh's hoch und spuck's aus«, beschied der Posten. »Noch mehr?« fragte er dann. Einige meldeten sich. Der LKW hielt, kurze Beratung mit dem Transportführer. Einzeln austreten. Christian wurde an den Posten gekettet. Die Toilette befand sich auf einem Provinzbahnhof, der für Christian ohne Namen blieb; es ging durch unterirdische Gänge und Hintertüren. Auf der Bahnhofstoilette urinierte er an die fliegenübersummte, blaugekachelte Wand, die es statt der Becken gab; in der Rinne lagen Zigarettenstummel, metallene Aschbecherchen hingen auf Brusthöhe an der Wand, in eines davon hatte der Nachbar seine Zigarette abgelegt. Der Mann fragte nichts und beeilte sich. Der Posten stand halb abgewandt, rauchte, blickte auf die Armbanduhr. »Zügig, Mann, könnense nich schneller pissen!«

Die Untersuchungshaftanstalt Frankfurt/Oder war klein und heruntergekommen. Die Verurteilten kamen in einen Verwahrraum, in dem Pfannkuchen und Christian nicht aufrecht stehen konnten. Es war feucht, die Ölfarbe war an einigen Stellen von den Wänden geblättert, die Schemel hatten angeschimmelte Beine. Die Pritschen waren heruntergeklappt, die Zelle überbelegt, so daß man im Wechsel schlafen mußte. Christian lag auf der Pritsche und sah einem Wassertropfen zu, der an der Decke, aus der Mitte eines Feuchtigkeitsflecks, wie eine helle Pupille wuchs. Kakerlaken raschelten auf dem Boden, liefen die Wände entlang. Die andere Nachthälfte, als Pfannkuchen seinen Platz beanspruchte, saß Christian am Tisch und starrte in die Dunkelheit, in die von draußen dünnes Scheinwerferlicht schimmerte. Am nächsten Morgen ging es zum Friseur. Die Türen waren niedrig, man mußte aufpassen, sich die Stirn nicht wundzustoßen. Die Treppen waren schmal, es fehlten Stufen, man durfte nicht stürzen, das hätte wie vorsätzlicher Ungehorsam aussehen können. Vor dem Friseur warteten Häftlinge in Handschellen. Der Friseur war ein altes Männchen mit Zahnlücken und glatt nach hinten gestrichenen Haaren, die ihm das Aussehen eines Polartauchers gaben, eines nördlichen Schwimmvogels. Christian erinnerte sich an ein Buch seiner Kindheit, »Aus Deutschlands Vogelwelt« hatte es geheißen, ein grünes Zigarettenbilder-Album in Frakturschrift, das ihm der Uhren-Großvater geschenkt hatte. Darin hatte er den Polartaucher abgebildet gefunden. Mit einer Schermaschine wurde Christian geschoren, es dauerte keine Minute; der Polartaucher verstand sein Fach.

Verlegung.
Nun wurden die Militärstrafgefangenen von den übrigen Häftlingen getrennt. Die Militärstrafgefangenen kamen in den Schweden, wie das Fahrzeug genannt wurde, das Christian, Pfannkuchen und weitere vier Gefangene beförderte, nach Norden zunächst, durch das Oderbruch, wo die Vögel schrien und ihr Flügelrauschen manchmal das Klappern der Vorlegeriegel übertönte, es roch nach Schilf und Fisch und Petroleum. Dann schwenkten sie nach Osten, Richtung polnische Grenze.
Schwedt. Schreckensname, hinter vorgehaltenen Händen gemurmelt in der Armee, jedem Soldaten bekannt, kaum einem Zivilisten; Schwedt an der Oder: Gründung auf der grünen Wiese wie Eisenhüttenstadt weiter südlich, Ankunftspunkt der Erdölleitung »Freundschaft« aus den Tiefen der Sowjetunion, Plattenbauten, Windsteppe, das riesige Petrolchemische Kombinat. Sie stiegen aus. Christian sah: ein Gittertor mit Posten, einen Weg, der aus einem Wald kam, Industrierohrleitungen auf einer Seite des Wegs, dahinter ein Feld, in der Ferne die bunten Quadrate eines Bienenwagens. Militärstrafvollzugsanstalt Schwedt an der Oder. Christian hatte es sich pathetischer vorgestellt, nach den Gerüchten, die es darüber gab. Aber das? Es wirkte klein, unscheinbar, eng. Sie wurden in einen flachen Betonbau geführt, in einen bis auf ein Porträt des Ministers für Nationale Verteidigung, einen Tisch, ein paar Stühle kahlen Raum. »Sachen vorlegen«, befahl der Posten. Christian und Pfannkuchen leerten ihre Seesäcke, die anderen Gefangenen warteten unterdessen draußen im Flur. Der Posten notierte die Habseligkeiten auf einer Liste. »Aufnehmen der Sachen. Einrücken. Umzug.« Mit den Seesäcken auf der Schulter folgten Christian und Pfannkuchen dem Posten. In einer Flachbaracke, noch immer vor dem eigentlichen Lager, hatten sie erneut alles auszupacken. Ein Posten warf ihnen Felddienstuniformen zu, sie hatten die Häftlingskleidung abzulegen und die Uniformen anzuziehen, sie blieben ohne Schulterstücke. Der Posten verlas die Anstaltsordnung. »Zum Leiter.«
Das war ein Oberst. Er saß in der hintersten Baracke. Auf dem Weg dorthin wurde Christian instruiert, wie er sich zu melden habe.
»Militärstrafgefangener Unteroffizier Hoffmann meldet sich zur Belehrung, Genösse Oberst.«
Der Oberst, ein untersetzter, väterlich wirkender Mann, blieb sitzen, blätterte in Christians Akten, sah ihn nicht an, während er sprach. Er sprach von Reue, von notwendiger Strafe, von Vertrauen und von Erziehung. Dieses Wort kam am häufigsten vor in seiner Rede. Erziehung: denn mit Zwo-zwanzig sei er, Hoffmann, ein ganz Schlimmer. Das werde ihm hier vergehen, das könne er, der Leiter, ihm versprechen. Er, der Leiter, werde aus ihm, Hoffmann, einen reuigen Armeeangehörigen und gut erzogenen Bürger unserer Republik machen. Auch das verspreche er ihm.

Der Vortrakt, in dem die Ankömmlinge sich noch befanden, war vom eigentlichen Lager durch eine stacheldrahtbewehrte Mauer abgetrennt. In der Mauer gab es ein Gittertor, durch das der Posten die Ankömmlinge geleitete. An den Ecken der Mauer gab es Wachttürme, auf denen Posten sichtlich gelangweilt Leichte Maschinengewehre ins Lager hielten. Die Betonmauer grenzte nur nach außen, zum Vortrakt, ab, innen war ihr ein Stacheldrahtzaun vorgesetzt. Zwischen Mauer und Stacheldrahtzaun verlief ein Kiesstreifen, auf dem Hunde schliefen. Christian wurde in eine Baracke geführt. Muffiger Geruch lag im Flur und in der Stube. Die Stube hatte achtzehn Betten, je drei übereinander. Der Posten zeigte Christian seinen Spind und befahl ihm, stehenzubleiben. Der Posten ging hinaus, Christian starrte aus dem Fenster, von dem staubiges Licht einfiel. Das Fenster war vergittert, man sah einen der Wachttürme und ein Stück Kiesstreifen mit den Hunden, von denen zwei inzwischen erwacht waren. Jetzt erst begriff Christian, was geschehen war, und daß dies für ihn die absehbare Zukunft war: Schwedt an der Oder, Militärstrafvollzugsanstalt, ein Jahr, ein unwiederbringliches Jahr des Lebens. Und dieses Hier, Hier stehst du, wühlte sich wie eine Schraube in ihm fest, er mußte sich ablenken, begann zu rechnen: Mit dem Nachdienen würde er im Herbst 1989 entlassen werden, fünf Jahre Nationale Volksarmee, und was danach kommen würde, wußte er nicht, vielleicht würde ihm Meno helfen. Er konnte nicht mehr stehen, aber schon war der Posten wieder da und befahl es ihm. »Wir werden Sie schon noch erziehen.«

Der Alltag begann mit dem Wecken früh um vier Uhr. Die Strafgefangenen sprangen aus den Betten, in denen sie in langen Baumwollunterhemden, das Genitale nackt, geschlafen hatten. Frühsport und Waschen. In Christians Kompanie gab es 47 Militärstrafgefangene, für sie gab es einen Waschraum mit zehn Wasseranschlüssen. Die Wasseranschlüsse besaßen keine Wasserhähne; die Wasserhähne waren bei Stabsfeldwebel Gottschlich in Verwahrung und mußten auf die Wasseranschlüsse geschraubt werden. Meist wurden sie herausgegeben. Nach dem Frühstück begann entweder die Ausbildung im Objekt (Exerziertraining, An- und Ablegen der Schutzkleidung, Einweisung in den Brandschutz, Marsch mit erschwertem Marschgepäck, Sturmbahnlauf) oder die Arbeit. Die Arbeit fand für die Disziplinareinheiten, in denen Delinquenten ohne Militärgerichtsprozeß dienten, meist in den Barackenkellern statt. Christian und Pfannkuchen gehörten zu den Strafarrestanten, sie wurden jeden Tag zur Arbeit ins Kombinat gefahren. Dort schliffen sie Türen, reparierten oder bauten Stapelpaletten, entgrateten Plastmöbel oder schraubten Schrauben in Schraubenlöcher. Die Arbeit dauerte acht Stunden, danach ging es zur Ausbildung zurück ins Objekt. Nach dem Stuben- und Revierreinigen, 20 Uhr, Nachtruhe. Die Toiletten hatten keine Türen; seine Geschäfte machte man vor aller Augen. »Damit Sie nicht so was Blödes wie Selbstmord begehen«, sagte Stabsfeldwebel Gottschlich.

An der Decke des Kompanieflurs hing ein skurriles Element: eine Spielzeug-Eisenbahn aus Plast, gefertigt von früheren Strafgefangenen aus Materialresten des Petrolchemischen Kombinats, für den Kompaniechef zum 40. Geburtstag. Die Eisenbahn hatte Waggons, verschiedenfarbig, sechsunddreißig Stück. Weil die Waggons so bunt waren, hieß die Eisenbahn der Orient-Expreß. In den Waggons steckten farbige Kärtchen, auf den farbigen Kärtchen standen Namen. Die Position der Namen bezeichnete den Grad der Normerfüllung bei der Arbeit. Günstig war es, seinen Namen in einem der ersten zehn Waggons zu finden. Fand man sich in der Mitte, gab es Schulungen. Eine davon war, um Mitternacht geweckt zu werden und zwei Stunden lang in voller Montur frei stehend zu verbringen. Fand man seinen Namen länger als eine Woche im letzten oder vorletzten Waggon (Stabsfeldwebel Gottschlich hielt das nicht ganz konsequent), rückte man für eine bestimmte Zeit ins U-Boot ein, wohin man auch bei Aufmüpfigkeit, Widersetzlichkeit, mangelnder Einsicht, Unkooperativität oder Dummheit kam. Eine Dummheit konnte es sein, im Politunterricht oder dienstags, wenn die Wiederholungen von Karl-Eduard von Schnitzlers »Schwarzem Kanal« im 2. Fernsehprogramm gemeinschaftlich empfangen wurden, nicht völlig reglos, doch erziehungsbereit dazusitzen.
Das U-Boot hieß offiziell Arrest. Arrest wurde bei einem Appell ausgesprochen. Bevor Christian ins U-Boot kam, hatte er sich beim Arzt »zwecks Feststellung der Arrestfähigkeit« vorzustellen. Der Arzt war ein junger, doch schon müder Mann in makellos weißem Kittel, ohne Stethoskop. Er fragte Christian, ob er Medikamente nehme oder Krankheiten habe. »Akne vulgaris«, sagte Christian. »Die blüht auch im Dunkeln.« Der Arzt machte einen müden Krakel auf einem Arrestfähigkeitsfeststellungsformular. Das U-Boot war dunkel, weil fensterlos, und Christian blieb lange, er schätzte, eine Woche. In dieser Zeit hatte er die Zelle vollständig ausgetastet. Der Eimer für die Notdurft, neben dem Tisch, hatte einen emaillierten Deckel an zwei Drahtführungsbügeln; Christian lernte, wie ein Blinder den Tastsinn zu gebrauchen, die Aufschrift auf dem Deckel war leicht erhaben und lautete Servus. Die Decke auf der Pritsche roch nach Spee und, dafür brauchte er einige Zeit, nach den Lamas im Dresdner Zoo, genauer: nach Lamas bei Regen. Die Idee, daß er nun im Innersten des Systems angekommen sein mußte, ließ Christian eine lange Zeit in der noch längeren Dunkelheit der Zelle nicht los. Er war in der DDR, die hatte befestigte Grenzen und eine Mauer. Er war bei der Nationalen Volksarmee, die hatte Kasernenmauern und Kontrolldurchlässe. Er war Insasse der Militärstrafvollzugsanstalt Schwedt, hinter einer Mauer und Stacheldraht. Und in der Militärstrafvollzugsanstalt Schwedt hockte er im U-Boot, hinter Mauern ohne Fenster. Jetzt also war er ganz da, jetzt mußte er angekommen sein. Er mußte noch mehr sein als nur angekommen: Er mußte, dachte Christian, er selbst sein. Er mußte nackt sein, das bare, blanke Ich, und er dachte, daß nun die großen Erkenntnisse und Einsichten kommen müßten, von denen er in der Schule und zu Hause geträumt hatte. Er hockte nackt auf dem Fußboden, aber die einzige Erkenntnis, die kam, war, daß man fror, wenn man einige Zeit nackt auf Steinen hockte. Daß man Hunger und Durst hatte, daß man den Puls zählen kann, daß man auch in der Dunkelheit müde wird, daß man eine Weile nichts hören kann außer dumpfer Stille, und daß dann das Ohr beginnt, sich selbst Geräusche herzustellen, daß das Auge versucht, ständig Feuerzeugflämmchen zu entzünden, hier und dort und dort, und daß man in der Dunkelheit verrückt wird, auch wenn man noch so viele Gedichte kennt, Romane gelesen, Filme gesehen und Erinnerungen hat. Jetzt, dachte Christian, bin ich wirklich Nemo. Niemand.

Im Juli, an einem heißen Tag, wurden Christian, Pfannkuchen und 28 weitere Strafgefangene auf Effekten bestellt. Sie wurden verlegt, es hieß, in den Orient. So wurde hier, der vielfarbigen Dämpfe wegen, die aus den Fabriken traten, der Chemiebezirk um Leuna, Schkopau und Bitterfeld genannt. Chemie brachte Brot, Wohlstand und Schönheit, und dafür brauchte sie Arbeitskräfte. Sie folgten, in Handschellen, der Erdölleitung »Freundschaft«, die vom Oderstädtchen, dessen Plattenbauten an diesem Morgen hell aus der Ferne grüßten, zum Orient der Chemie, im Südwesten der Republik, und seiner Hauptzone Samarkand führte.
ollepolle
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" Der Turm " vs. " Delikt 220 "

Beitrag von ollepolle »

Schade, dass sich die Struktur des Forums hier etwas verzettelt: Unter der Rubrik Militärstrafvollzug Schwedt /Oder » Allgemein zum MSG werden die Fragen diskutiert, die eigentlich (auch ?) hierher gehörten. Insofern der Hinweis für diejenigen, die sich zuerst hierher duchgeklickt haben, auf die erwähnte andere Rubrik - siehe unten.

Meine eigentliche Anmerkung ist jedoch eher eine literatur-kritische:

nach Lesen des Buches von Wachtel "Delikt 220" und der Schwedt-Passagen aus Tellkamps "Der Turm" fällt auf, dass Tellkamp bei der Beschreibung der Zu- und Umstände in Schwedt jede Menge Details von Wachtel „aufgreift“, die meiner Meinung nach unmöglich alleinige Einfälle des Autors sein können. Insofern frage ich mich, ob der eine den anderen autorisiert hat, ob beide Autoren identisch sind oder ...?

In dem Zusammenhang hätte ich 2 Fragen an die Leute mit Vor-Ort-Erfahrung:

Sowohl Tellkamp als auch Wachtel schreiben von vorgeschriebener Nachtbekleidung: bloße Unterhemden mit langen Ärmeln; keine Hosen! Kann das jemand bestätigen?

Unterschiedlich wird der Arrest beschrieben: bei Wachtel mit Fenster, bei Tellkamp ohne. Im Zweifel würde ich eher Wachtel glauben wollen, wegen dessen bewusst als eigene Geschichte geschriebenen Buches, während Tellkamp ja einen Roman geschrieben hat.

Andere Auffäligkeiten sind ja im andern Forum schon genannt worden. (siehe Alltag im Militärstrafvollzug Schwedt /Oder » Allgemein zum MSG)


Gruß ollepolle
Ex-Bausoldat ohne Schwedt-Erfahrung
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Dresdner
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Beiträge: 779
Registriert: 07 Okt 2008, 19:16

Re: Buch " Der Turm "

Beitrag von Dresdner »

Schade, dass sich die Struktur des Forums hier etwas verzettelt: Unter der Rubrik Militärstrafvollzug Schwedt /Oder » Allgemein zum MSG werden die Fragen diskutiert, die eigentlich (auch ?) hierher gehörten. Insofern der Hinweis für diejenigen, die sich zuerst hierher duchgeklickt haben, auf die erwähnte andere Rubrik - siehe unten.
Hallo ollepolle,
das Problem besteht glaube immer, sobald zwei Themen betroffen sind.
Einerseits gehören die Fragen zum Buch - andererseits betreffen sie aber auch den normalen Ablauf im MSG.
Wie will man das lösen, ohne alles zweimal zu schreiben ??
Und so hatte ich mich entschieden, für die Fragen ein neues Thema aufzumachen, allerdings kann ich das auch jederzeit wieder zusammenführen....

Dresdner
gsmue6
Beiträge: 1
Registriert: 13 Jun 2010, 17:37

Re: Buch " Der Turm "

Beitrag von gsmue6 »

Insgesamt sind doch einige Schilderungen nicht besonders logisch oder glaubwürdig. Daß sich jemand für 3 Jahre verpflichtet und 5 (inklusive Nachdienen) dienen mußte, habe ich noch nie gehört. Besonders wenn er zum Zeitpunkt der Verurteilung bereits 1,5 Jahre NVA hinter sich hatte. Auch daß ein "politisch unzuverlässiger" Ex-Militärstrafgefangener 1989 zum Niederknüppeln der Demonstrationen eingesetzt wurde, kann ich mir nicht vorstellen. Und es wird sicherlich auch nicht vorgekommen sein, daß Militärstrafgefangene ca. 300 km von Schwedt entfernt in den BUNA-Werken eingesetzt wurden. Insgesamt ist "Der Turm" zu ca. 70% ein gutes Buch, wo auch auf die miese wirtschaftliche Situation in der DDR eingegangen wurde. Erst ab der "Einweisung" des Christian Hoffmann nach Schwedt nimmt die Qualität signifikant ab. Was meint Ihr dazu ??
baustus
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Registriert: 26 Dez 2009, 17:35

Re: Buch " Der Turm "

Beitrag von baustus »

ich habe das erste mal, jetzt, hier in diesem forum in diesem buch gelesen. wenn zwar einiges durchaus bemerkenswert, lesenswert geschrieben ist fällt mir eines auf. selber erlebt haben dürfte der autor den militärstrafvollzug schwedt nicht. dafür ist der bereitgestellte text einfach zu schön, reibungslos und ohne aussetzer geschrieben. ein roman der eher durch seine schreibweise beeindrucken könnte als durch das erlebte. woher der autor seine weisheiten bezieht bleibt, daher, ein rätsel. vielleicht aus einem der hier bereits angesprochenen quellen. was bleibt wäre dann ein bitterer beigeschmack.

baustus
ollepolle
Beiträge: 43
Registriert: 19 Nov 2008, 15:21

Buch " Der Turm " wird verfilmt

Beitrag von ollepolle »

Hallo allerseits,

soeben finde ich die Meldung, dass das ehemalige Zittauer Gefängnis als Drehort für Schwedt-Szenen zum Tellkamp-Buch genutzt wird: "Zittaus altes Gefängnis wird Soldatenknast", siehe hier:

http://www.sz-online.de/nachrichten/art ... id=2897610

Da bin ich ja mal auf Eure Kommentare gespannt.

Gruß ollepolle
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Dresdner
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Beiträge: 779
Registriert: 07 Okt 2008, 19:16

Re: Buch " Der Turm "

Beitrag von Dresdner »

Ist ja lustig ( wenn man nicht darüber traurig sein müsste ..... )

Ich weiß zwar nicht, wie das Gefängnis im Film rüber kommen wird, aber Schwedt war ja kein massiver Bau sondern Baracken bzw. die DD- Kasernen-Fertigteilblocks ....

Das ist so das erste, was mir spontan einfällt.
Steffen
Beiträge: 507
Registriert: 09 Okt 2008, 14:05

Re: Buch " Der Turm "

Beitrag von Steffen »

Ich glaube, dass schon im Ansatz des Filmes die Wirklichkeit demontiert wird, weil man irgend ein Gefängnis als " Soldatenknast " verwendet. Warum geht man nicht in das ehem. Militärgefängnis, auch wenn die Baracken, die zur Zeit " Der Turm " noch Hauptteil waren, nicht mehr stehen. Der Zugang zu diesem " Neubau " , welcher im Ende des Militärstrafvollzuges aktuell war, ist nicht kompliziert und man bekäme eine gewisse Autentität zum Vergangenem. Das hier dagestelle Gefängnis in Zittau entbehrt jeder Beziehung zur Wirklichkeit.
Aber genau wie im Buch, werden hier Wirklichkeiten sehr verschwommen dargestellt. Ehemalige Betroffene bzw. Beteiligte, aber auch Aussenstehende werden unrealistisch in Umgebungen gebracht, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben.
Vielleicht sollte man dem Regisseur mal sagen, dass es " noch " Teile des ehemaligen Gefängnisses " gibt, die man in die Szenen des Filmes einbauen könnte.

Gruß
Steffen
Steffen
Beiträge: 507
Registriert: 09 Okt 2008, 14:05

Re: Buch " Der Turm "

Beitrag von Steffen »

Solche Bilder würden doch mehr " Eindruck " schinden.
Dateianhänge
Militärgefängnis Schwedt 061.JPG
Militärgefängnis Schwedt 061.JPG (161.63 KiB) 15130 mal betrachtet
Militärgefängnis Schwedt 041.JPG
Militärgefängnis Schwedt 041.JPG (119.27 KiB) 15130 mal betrachtet
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Detlef
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Registriert: 15 Jul 2012, 15:43

Re: Buch " Der Turm "

Beitrag von Detlef »

gsmue6 ...
....beschreibt es treffsicher. 70% des Buches sind lesenswertet, der Rest neigt zum diskutieren.
Und dabei geht es gar nicht mal um Schwedt und deren Ausführungen, sondern um die Darstellug der DDR generell zu dieser Zeit. Tellkamp ist bestimmt ein interessanter Schreiber unserer Epoche, aber dass er gleich zu Ehrungen überhäuft gleich auf den Olymp gehoben wird ? - wohl eher nicht im Auge der Zeitzeugen.
[color=#400040]3 Monate Strafdienst in der Disziplinareinheit vom 20.09.1983 bis 15.12.1983[/color]
[color=#0000BF][i]Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen. Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.[/i][/color]
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